Wille
Die Tugend, was ist sie? Ein wahres und unverrückbares Urteil.
Für die griechisch-hellenistische Kultur war die richtige Lebensführung eine Frage der richtigen Erkenntnis. Die richtige Erkenntnis führt zu richtigen Entschlüssen. Die Entschlüsse bestimmen, was wir wollen und in die Tat umsetzen. Demnach widmeten die alten Denker dem Willen weit weniger Aufmerksamkeit als dies bis heute in den Diskussionen um den „freien Willen“ der Fall ist. Größere Bedeutung kam den vorgelagerten geistig-intellektuellen Prozessen zu. In dem Zitat, das von dem römischen Philosophen Seneca stammt, heißt es weiter:
„Denn dieses (das Urteil) ist bestimmend für die Triebe der Seele, von ihm erhält jegliche Erscheinung, die einen Trieb rege gemacht, die erforderliche Klarheit.“
Dass das Urteil die Triebe „bestimmt“ meint nicht, dass es ihre Existenz, Art und Stärke festlegt. Bei vernunftgesteuerten Menschen mit hoher Selbstkontrolle ist das Urteil der Filter, der bestimmt, wie, wann und in welchem Maße ein Trieb ausgelebt wird. Wenn ein Objekt auf einen Trieb trifft und unser Begehren weckt, erwägen wir, ob sein Besitz und der Preis, den wir dafür entrichten, unserem Wohlbefinden dient oder eher schadet. Aufgrund des Urteils, zu dem wir gelangen, aktivieren wir unseren Willen und handeln entsprechend. Der Wille war für die Alten demnach nur die Folge eines vorgelagerten Urteils. So stellt sich unsere Lebensführung stets als die Konsequenz unserer Glaubenssätze und Werturteile dar, die häufig unbewusst sind.
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Nutzen Sie die täglichen "Worte der Weisheit", um fünf Minuten Atem und Geist zu beruhigen, still zu werden und sich auf das Wesentliche Ihres Lebens zu konzentrieren.