Wille
Denn nur ohne Eigensucht kann der Weise das Eigene vollenden.
Der Ausspruch stammt von Laotse und lautet im Zusammenhang:
„So stellt der Weise sein Selbst zurück
Und ist anderen voraus,
wahrt nicht sein Selbst,
und so bleibt es ihm bewahrt.
Denn nur ohne Eigensucht
Kann er vollenden das Eigene.“
„Sein Selbst zurückstellen“ meint, darauf zu verzichten, stets seinen Willen durchsetzen zu wollen, indem es seine intentionale Ausrichtung auf Äußeres („Ich will“) zügelt. Auf diese Weise wird die Entfremdung zwischen dem Selbst und der Welt aufgehoben, die dadurch entsteht, dass der Wille auf eine widerständige Welt trifft, d. h. dass die Dinge anders sind und sich anders verhalten, als man sich das wünscht. Fügen wir uns dort, wo wir die Welt nicht ändern können, in sie ein anstatt uns an ihr erfolglos abzuarbeiten, so tritt das Ego zurück und kommt das eigentliche Selbst zur Geltung. Die paradoxe Zuspitzung von Selbstwahrung durch Selbstaufgabe in den Zeilen 3 bis 6 ist typisch für Laotse. Die scheinbare Widersprüchlichkeit löst sich auf, wenn man das Selbst in dem einen Fall als eigensüchtiges Ego versteht, das seinen Willen unbedingt durchsetzen will, im anderen als weiches Selbst, das sich in die Gegebenheiten und das, was sich nicht ändern lässt, harmonisch einfügt und das Übrige nur im Rahmen seiner Möglichkeiten zu gestalten versucht. Für Laotse ist dieses Selbst weise und „vollendet das Eigene“, denn – wie er an anderer Stelle sagt – es ist wie Wasser, das den Berg hinunterfließt: Es kommt überall hin und immer ans Ziel.
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Nutzen Sie die täglichen "Worte der Weisheit", um fünf Minuten Atem und Geist zu beruhigen, still zu werden und sich auf das Wesentliche Ihres Lebens zu konzentrieren.