Tugend

Der Weise muss durch Selbstaufklärung klarmachen, was Tugend ist.

In einem Text aus dem 12. Jh. n. Chr. von Lü-yuan lesen wir:

„Man sagt, ‚der Edle (Weise) muss durch Selbstaufklärung klarmachen, was Tugend ist’…. Die Gelehrten des Altertums taten es für sich selbst, und so machten sie durch Selbstaufklärung klar, was reine Tugend ist. Indem aber an ihnen selbst klar wurde, was Tugend ist, verbreiteten sie diese Klarheit in die Welt hinaus ... ‚Wer sein Herz (Inneres) ausschöpft, der erkennt sein Wesen, und wer sein Wesen erkennt, der erkennt den Himmel …  Wer wahrhaftig ist, der hat sich selbst vollendet, sowie der Weg (Dao, Tao) sich aus sich selber bahnt’.“

Mehrere Gedanken werden hier angesprochen. Zum einen, dass wir durch Selbsterforschung erkennen, was Tugend (Weisheit) ist. Was gut für uns und andere ist, wonach wir streben sollten, wie wir leben sollten – das alles liegt in uns und wird nicht von außen vorgegeben. Das entspricht sowohl der Auffassung des Sokrates, der daher meinte, „ein Leben ohne Selbsterforschung sei nicht lebenswert.“ Aber auch an Kant ist zu denken, der die verbindlichen Handlungsmaximen des Menschen („Tugend“) rein aus der Vernunft ableiten zu können glaubte.

Wenn wir Klarheit über uns, unser innerstes Wesen, unsere eigentlichen Bedürfnisse gewonnen haben, dann verstehen wir auch unsere Bestimmung, die der Natur und aller Wesen („Himmel“, „der Weg“). Wer sich selbst kennt, kennt die Welt, sagte Laotse. Dann werden wir „wahrhaftig“, d.h. authentisch, ganz wir selbst. Unsere Klarheit wird ausstrahlen auf unsere Mitmenschen („verbreiteten sie diese Klarheit in die Welt hinaus“).

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