Trauer
Es gilt, das Schicksal zu verstehen.
In dem Buch „Zhuangzi“ lesen wir:
„Tschuangtses (Zhuangzis) Frau war gestorben und Hueitse kam zu ihm, um sein Beileid auszusprechen. Er fand ihn auf dem Boden sitzend, singend und auf einem Becken dazu den Takt schlagend.
‚Nun hat ein Mensch mit euch gelebt und euch Kinder geboren, und ihr alter Leib ist gestorben. Genügt es nicht, dass Ihr nicht weint? Aber singen und dazu auf einem Becken den Takt schlagen - ist das nicht zu viel (unanständig)?’
‚Nein’, erwiderte Tschuangtse. ‚Als sie starb, war ich natürlich sehr traurig. Aber dann dachte ich nach, und begriff, dass sie ursprünglich (vor ihrer Geburt) kein Leben hatte, und nicht bloß kein Leben, sondern keine Gestalt, und nicht nur keine Gestalt, sondern auch keinen Geist. Sie war ein Teil einer großen Gestaltlosigkeit. Dann veränderte sie sich und empfing Geist, der Geist veränderte sich und erhielt Gestalt, die Gestalt veränderte sich und sie empfing Leben, und nun verändert sie sich abermals und geht in den Tod ein. Sie macht also nur einen Ablauf durch, der dem Wechsel von Frühling, Sommer, Herbst und Winter gleicht. Da liegt sie nun friedvoll in einem großen Hause. Wenn ich zusammenbrechen und laut weinen würde, würde ich mich wie ein Mensch verhalten, der das Schicksal nicht versteht. Darum habe ich zu weinen aufgehört.“
Das Zitat begründet, warum man beim Trauern Maß halten sollte. Zhuangzi räumt zunächst ein, dass er anfangs „natürlich sehr traurig“ war. Dann aber setzte bei ihm ein Prozess des „Gesunddenkens“ ein, der zu einer Überwindung oder doch zu einer Abschwächung von Trauergefühlen auf ein erträgliches und gesundes Maß führte: Er begreift den Tod als etwas ganz Natürliches und Unausweichliches. Er „versteht das Schicksal“. Es ist diese Art von Reflexion, die die antiken Denker empfohlen haben, um sich vor einem Zuviel an Trauer zu schützen. Ein banal anmutender Gedanke. Aber es gibt Menschen, die nicht imstande sind, über ihre Trauer hinwegzukommen. Entweder fehlt ihnen die Einsicht, zu der Zhuangzi gelangt ist, oder ihre Gefühle sind stärker als ihre Einsicht.
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